Textschnipsel I

»Ich fühle mich unendlich einsam. Es ist, als wäre ich das erste Mal in meinem Leben wirklich allein«, flüsterte ich.
Michael betrachtete mich mit tränenfeuchten Augen. »Sag so etwas nicht! Ich bin immer noch bei dir. Ich gehe nirgendwo hin.«
»Du bist doch schon gegangen«, entgegnete ich traurig.
Seit ich ihn freigegeben und damit meine Verbindung zu ihm verloren hatte, fühlte ich mich verlassen. Zwar schien ich nach wie vor seine einzige große Liebe zu sein, aber es war nicht mehr das, was es gewesen war. Nicht für mich!
»Michael, ich will zurück nach Salzburg!«
Er nickte verständnisvoll. »Sobald ich mich hier davonstehlen kann, fahren wir.«
»Nein, ich möchte sofort aufbrechen!«
Er streichelte mir sanft die Wange. »Einverstanden, Nicki bringt dich in unser Haus.«
»Nein, in die Wohnung!«, entschied ich entschlossen. Michaels Schmerz der Zurückweisung sowie seine daraus resultierende Unsicherheit trafen die Empathin in mir mitten ins Herz. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich Angst, davon kontrolliert zu werden. Doch diesmal gelang es mir, Michaels Emotionen zu ignorieren. Ich hatte nicht das Gefühl, innerlich zu zerbersten, würde ich nicht dafür sorgen, dass er sich besser fühlte. Ich spürte, wie er mir mit seinem verletzten Blick folgte und mich beobachtete, während ich langsam den Raum verließ. Dass Michael litt, gefiel mir nicht, aber der Zwang, ihm zu vergeben, war verschwunden. Ein Teil von mir war unbeschreiblich wütend auf ihn. Wieder einmal hatte er alles komplizierter gemacht. Hätte er mir und nicht den anderen geglaubt, wäre alles anders gekommen. Nie wären wir in diese Situation geraten.
Martellius kam aus einem der Seitengänge auf mich zu. Liebevoll umarmte er mich. »Wie geht es dir, meine Stiefschwester?«
»Stiefschwester?«, wiederholte ich verwirrt.
»Ja, ich war der Ziehsohn deines Vaters, also bist du meine Stiefschwester«, erklärte er, legte seine Hände auf meine Wangen und küsste mich auf die Stirn. Dann begann er erneut zu sprechen: »Ich habe Michael gebeten, Kijara nicht zu heiraten. Ein Teil von mir konnte allen Widersprüchen zum Trotz die Vorstellung, du seist Veranos Tochter, nie loslassen. Mein Sohn wollte nicht auf mich hören. So wenig, wie er bereit gewesen ist, auf dich zu hören. Ich habe es nicht geschafft, dieses Ritual zu verhindern, aber ich kann für deine Sicherheit sorgen. Vor einigen Stunden hat sich alles verändert!«
»Nichts hat sich verändert!«, fauchte Michael am anderen Ende des Ganges. »Sie mag nicht mehr meine Mukadis sein, dennoch liebe ich sie mehr als alles andere auf dieser Welt.«
Martellius betrachtete ihn wehmütig. »Du weißt, dass das nicht stimmt! Sie ist nicht mehr durch dich geschützt. Eure Verbindung war das Einzige, das Hugorio davon abhielt, sie mitzunehmen, und das die afrikanischen Drachen dazu brachte, Ryoko nicht zu unterstützen, als dieser sie einforderte. Deswegen werde ich mein Anwesen gemeinsam mit ihr verlassen.«