Onirena

Aus Liebe Geboren

Reihe: Peris Night von Eva Maria Klima

Part I : Aus Melanies Sicht

1.  Alles hat sich verändert

»Ich fühle mich unendlich einsam. Es ist, als wäre ich das erste Mal in meinem Leben wirklich allein«, flüsterte ich.
Michael betrachtete mich mit tränenfeuchten Augen. »Sag so etwas nicht! Ich bin immer noch bei dir. Ich gehe nirgendwo hin.«
»Du bist doch schon gegangen«, entgegnete ich traurig. Seit ich ihn vor einigen Stunden freigegeben und damit meine Verbindung zu ihm verloren hatte, fühlte ich mich verlassen. Zwar schien ich nach wie vor seine einzige große Liebe zu sein, aber es war nicht mehr das, was es gewesen war. Nicht für mich!
»Michael, ich will zurück nach Salzburg!«
Er nickte verständnisvoll. »Sobald ich mich hier davonstehlen kann, fahren wir.«
»Nein, ich möchte sofort aufbrechen!« Er streichelte mir sanft die Wange. »Einverstanden, Nicki bringt dich in unser Haus.«
»Nein, in die Wohnung!«, entschied ich entschlossen. Michaels Schmerz der Zurückweisung sowie seine daraus resultierende Unsicherheit trafen die Empathin in mir mitten ins Herz. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich Angst, davon kontrolliert zu werden. Doch diesmal gelang es mir, Michaels Emotionen zu ignorieren. Ich hatte nicht das Gefühl, innerlich zu zerspringen, wenn ich nicht dafür sorgen würde, dass er sich besser fühlte. Ich spürte, wie er mir mit seinem verletzten Blick folgte und mich beobachtete, während ich langsam den Raum verließ. Dass Michael litt, gefiel mir nicht, aber der Zwang, ihm zu vergeben, war verschwunden. Ein Teil von mir war unbeschreiblich wütend auf ihn. Wieder einmal hatte er alles komplizierter gemacht. Hätte er mir und nicht den anderen geglaubt, wäre alles anders gekommen. Nie wären wir in diese Situation geraten.
Martellius kam aus einem der Seitengänge auf mich zu. Liebevoll umarmte er mich. »Wie geht es dir, meine Stiefschwester?«
»Stiefschwester?«, wiederholte ich verwirrt. »Ja, ich war der Ziehsohn deines Vaters, also bist du meine Stiefschwester«, erklärte er, legte seine Hände auf meine Wangen und küsste mich auf die Stirn. Dann begann er erneut zu sprechen: »Ich habe Michael gebeten, Kijara nicht zu heiraten. Ein Teil von mir konnte allen Widersprüchen zum Trotz die Vorstellung, du seist Veranos Tochter, nie loslassen. Mein Sohn wollte nicht auf mich hören. So wenig, wie er bereit gewesen ist, auf dich zu hören. Ich habe es nicht geschafft, dieses Ritual zu verhindern, aber ich kann für deine Sicherheit sorgen. Vor einigen Stunden hat sich alles verändert!«
»Nichts hat sich verändert!«, fauchte Michael am anderen Ende des Ganges. »Sie mag nicht mehr meine Mukadis sein, dennoch liebe ich sie mehr als alles andere auf dieser Welt.«
Martellius betrachtete ihn wehmütig. »Du weißt, dass das nicht stimmt! Sie ist nicht länger durch dich geschützt. Eure Verbindung war das Einzige, das Hugorio davon abhielt, sie mitzunehmen, und das die afrikanischen Drachen dazu brachte, Ryoko die Unterstützung zu verweigern, als dieser sie einforderte. Deswegen werde ich mein Anwesen gemeinsam mit ihr verlassen.«
»Jedoch nur in Begleitung meiner Männer«, warf Hugorio ein, der unerwartet um die Ecke bog und uns erschreckte. »Sie ist das einzige weibliche Wesen meiner Art, und ich werde ihren Schutz nicht dir überlassen. Ich habe bereits eine Zusammenkunft einberufen, um Melanie einzufordern und ihre Auslieferung an mich zu verlangen.«
Wieso wählte er den offiziellen Weg? Bisher hatten mir alle versichert, dass Hugorio mich einfach mitnehmen würde, sollte ich zum Teil eine Filguri sein. Sogar er selbst hatte dies behauptet. Warum verzichtete er nun darauf? Beabsichtigte er, mir noch etwas Zeit zu gewähren, um mich zu sammeln, ehe er mich meiner gewohnten Umgebung entriss? »Wirst du mich zwingen deine Frau zu werden?« Meine Worte drohten mir im Hals steckenzubleiben. Mehrmals schluckte ich, um wieder frei atmen zu können.
Hugorio ging langsam auf mich zu. War nun er das Raubtier und ich die Beute? Als er die Hand nach meinem Gesicht ausstreckte, stolperte ich rückwärts, um ihm zu entweichen. Sofort zog er sie zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde dich zu nichts zwingen! Ich verschaffe dir lediglich jenen Platz in unserer Welt, der dir zusteht, lehre dich unser Wissen und bin für dich da. Das bedeutet ebenfalls, dass ich verhindern werde, dass dich Michael auch nur einen Tag länger bevormundet. Ab heute sind Tares, Jonas und William deine Bodyguards. Sie begleiten dich, egal, wohin du gehst. Willst du nach Salzburg zurückkehren, fahren sie dich.«
»Was, wenn ich mit Michael allein sein möchte?«
»Dann wirst du sie nicht bemerken«, versicherte er mir.
»Solange ich bei Michael bin, umgeben von seinen Vertrauten und Angehörigen, sollte das als Schutz doch ausreichen.«
Hugorio verneinte mit einer Kopfbewegung. »Woher weiß ich, dass er dich nicht gegen deinen Willen wegbringt? Du hast in den letzten Wochen selbst erlebt, wie er ist. Er hat dich wie eine Gefangene behandelt.«
»Bitte!«, hauchte ich, nahm seine Hand und ließ meine Energie flehentlich in ihn fließen. Ich spürte, wie sehr er sich wünschte, von mir akzeptiert zu werden. Aus diesem Grund nickte er schließlich. »Okay, in der Zeit, in der du bei Michael bist, werden Tares, Jonas und William euch alleine lassen. Aber nur unter der Bedingung, dass du mit einem Kontrollanruf alle vier Stunden einverstanden bist. Damit wir wissen, dass es dir gut geht.«
»Sind vier Stunden nicht etwas übertrieben?«
Hugorio kniff wütend die Augen zusammen. »Nein! Außerdem werden wir zuvor gemeinsam einen Zauber sprechen, der verhindert, dass einer von Michaels Leuten sich magisch den Klang deiner Stimme aneignet.«
»Muss das denn sein?!«, blies ich frustriert Luft durch meine Lippen.
Nickend strich er mir über den Oberarm und ließ mich an seiner Erleichterung, dass er mich meiner Herkunft wegen nicht mehr belügen musste, teilhaben. Er wuschelte mir durchs Haar und begleitete mich durch die Gänge von Martellius’ Herrenhaus ins Freie, wo bereits seine Männer auf mich warteten.
Tares zog mich in eine lange Umarmung. »Während der Zeit, in der du als Kleinkind bei uns gelebt hast, war ich dein Babysitter. Niemand kommt für mich einem eigenen Kind näher als du«, erlaubte er mir einen Einblick in seine Seele.
»Wie konnte ich all das nur übersehen? Die Flosnuris, die ihr angeblich im Traum erschienen waren. Tares zuvorkommendes Verhalten ihr gegenüber. Hugorios vorgespieltes Desinteresse, das ihn nicht davon abhielt, jedes Mal zur Stelle zu sein, sobald sie ernsthaft in Gefahr geriet«, hörte ich Michael mit sich selbst sprechen. »Verzeih mir, dass ich dich für verrückt gehalten habe, anstatt dir zuzuhören«, umarmte er mich von hinten.
Ja, hättest du mir nur zugehört! »Ich rufe dich an, wenn ich in Salzburg bin«, flüsterte ich und stieg in Williams Auto. Tares setzte sich neben mich auf die Rückbank und Jonas nahm den Platz neben William auf dem Beifahrersitz ein. Während wir auf der schmalen Schotterstraße durch den Wald Richtung Hauptstraße fuhren, versuchte ich, die heutigen Ereignisse zu verarbeiten. Ich war Michaels Mukadis, seine magische Ehefrau, gewesen, bis ich ihn vor einigen Stunden freigeben musste, um sein Leben zu retten. All das hatte Hugorio seit Langem geplant. Ja, ich sollte wütend auf ihn sein, nicht mit ihm sprechen und versuchen, mich jedem seiner Wünsche zu widersetzen. Doch inzwischen wusste ich es besser. In einer direkten Konfrontation wäre ich ihm immer unterlegen. Außerdem war meine Situation nicht nur durch sein Verschulden entstanden. Auch Michael hatte dazu beigetragen, als er es bevorzugte, mich für verrückt zu erklären, anstatt mir zu glauben. Ich hatte ihn gewarnt, dass seine Heirat mit Kijara ein Fehler sein würde. Obwohl ich nicht gewusst hatte, dass er mein magischer Ehemann war, hatte ich dennoch gespürt, dass diese Hochzeit fatale Auswirkungen auf unsere Beziehung hätte. Als mir die Drachen zwei Jahre mit Michael zugestanden hatten und Hugorios Pläne, mich von Michael zu lösen, somit kurzfristig zunichtemachten, musste der Filguri sehr wütend gewesen sein. Ihm war Elkes Tod vermutlich gerade recht gekommen. Nur durch Ryokos neu gewonnenen Anspruch auf mich fühlte sich Michael gezwungen, der Heirat mit Kijara schließlich doch zuzustimmen. Außerdem kannte ich jetzt den Namen, unter dem mein Vater in der übernatürlichen Welt bekannt gewesen war: Verano Liemme. Ich selbst wurde in meinem ersten Lebensjahr Onirena Liemme genannt. Dieser Name schien mir so fremd wie der meines Vaters. Kadeijosch hatte mir von Verano, einem berüchtigten Heerführer der Filguri und rechten Hand ihres Kronprinzen Marell, erzählt, der nach Einsetzen des Fluches als Einziger bereit gewesen war, mit ihnen zu sprechen. Die Freundschaft zwischen Kadeijosch und meinem Vater wurde die Grundlage für die Friedensgespräche ihrer Völker. ›Kronprinz Marell‹ schoss es mir durch den Kopf. Marell? Dieser Name erschien mir vertraut. Wenn mein Vater die rechte Hand des Kronprinzen gewesen war, war er dann auch sein bester Freund? Wieso hatte niemand gewusst, dass meine Mutter eine Achteldrachin war? Die Drachen verfolgten ihre Nachkommen doch über Generationen.
»Alles in Ordnung?« Tares strich mir mit der Hand über den Rücken.
Verwirrt starrte ich ihn an. »Keine Ahnung. Wann war ich als Kleinkind bei euch?«
Meine Frage missfiel ihm. Unglücklich verzog er das Gesicht. »Sagen wir einfach, dein Vater und Hugorio waren nicht immer einer Meinung. Es ist eine sehr lange Geschichte ...« Als mir klar wurde, dass er versuchte auszuweichen, unterbrach ich ihn: »Und wir haben noch eine sehr lange Fahrt vor uns.«
»Ja, aber ich finde, Hugorio sollte dir selbst erzählen, was damals vorgefallen ist.«
Ich hatte nicht vor, mich vertrösten zu lassen. Endlich wusste ich mit Gewissheit, wer ich war. Nun wollte ich alles erfahren! Wie es dazu gekommen war, dass man mich für tot gehalten hatte und dass man meine Eltern weiterhin für tot hielt. Waren sie überhaupt meine biologischen Eltern? Soweit ich es mitbekommen hatte, bezweifelte das jeder. Mir fiel mein Gespräch mit Elke wieder ein. Sie hatte gesagt, dass meine Mutter und ich das Ein und Alles meines Vaters gewesen wären. Dass ich ihm mehr bedeutet hätte als sie, weil sie nie wirklich sein Kind gewesen sei. Sie habe ihre halbe Kindheit bereits hinter sich gehabt, als sie zu uns gekommen sei. Hieß das, dass mein sogenannter Vater doch mein biologischer Vater war und dass meine Eltern entgegen der allgemeinen Meinung noch am Leben waren?
»Woran denkst du?«, riss mich Tares aus meinen Überlegungen. Gute Frage. Mir schossen so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich mich an die meisten wenige Sekunden später nicht mehr erinnern konnte, da mich schon längst neue vereinnahmten.
»Dass ich alles, was ihr mir nicht sagen wollt, auch meinen Stiefbruder Martellius fragen kann. Gewiss kennt er diese lange Geschichte ebenfalls.«
Tares begann laut zu lachen: »Und schon hat sie das Prinzip der subtilen Erpressung erlernt. Ich bin stolz auf dich!«, zwinkerte er mir zu. »Wollen wir, dass du diese Geschichte so hörst, dass sie zu unseren Gunsten ausfällt, dann müssen wir sie dir jetzt selbst erzählen. Hugorio fühlte sich damals wie heute für deine Sicherheit verantwortlich. Nachdem dein Vater dich mit Michael verheiratet hatte, fühlte er sich womöglich auch ein wenig hintergangen.«
»Ein wenig?«, wiederholte ich. Ich war die Frau, derentwegen Hugorio auf Michael einen Groll gehegt hatte!
»Okay, er war verdammt wütend«, korrigierte sich der weißhäutige Nivalis. »Er hat dich und deine Mutter mit zu sich in seine Villa genommen. Deine Mutter nahm er nur mit, damit du dich an dein neues Zuhause gewöhnen würdest. Es war ihm egal, ob du Kinder bekommen könntest oder nicht, oder ob du eines Tages, wenn du erwachsen wärst, seine Lebensgefährtin würdest. Das Einzige, was er sich jemals von dir gewünscht hat, ist deine Gesellschaft. Er war noch sehr jung, als ein Großteil der Filguri starb. Fast sein gesamtes Leben vermisste er seine eigene Art. In deiner Nähe fühlt er sich lebendig. So war es schon immer. Weißt du, wie hart es für ihn war, dich an deinem Geisteszustand zweifeln zu lassen?«
»Hauptsächlich haben die anderen daran gezweifelt!«, rümpfte ich trotzig die Nase. Er tippte mit seinem Finger auf meine Nasenspitze. »Das ist nicht wahr. Du hattest selbst unsichere Momente. Diese waren für uns alle schwer zu ertragen. Was geschehen ist, ist geschehen. Kleines, oft ist es besser, nicht die ganze Wahrheit zu kennen. Wichtig ist zu wissen, wer für einen da sein wird. Hugorio wird dich nie im Stich lassen.«
»Weshalb hat er dann das Ritual der Drachen nicht verhindert? Hätte er ihnen verraten, wer ich bin, hätten sie nicht versucht, mich zu heiraten. Eine magische Hochzeit wäre mein Tod gewesen. Liegt sein Verhalten nicht eher darin begründet, dass ich als Michaels Frau wertlos für ihn gewesen wäre? Als er mich als Kleinkind mitgenommen hatte, hoffte er doch gewiss, diese Ehe eines Tages lösen zu können.« Außerdem erinnerte ich mich an Hugorios schockierten Gesichtsausdruck, als ich Michael von meinem Entschluss, mich sterilisieren zu lassen, erzählt hatte.
»Du irrst dich!«, versicherte mir William, der bisher noch kein Wort gesagt hatte.
»Nein, das denke ich nicht!«, erwiderte ich. »Ihr wollt nur, dass ich glaube, mich zu irren. Auch wenn er das selbstloseste Wesen wäre, wäre ich nach wie vor das einzige weibliche Exemplar seiner Art. Also macht mir nicht weis, er hätte keine Hintergedanken! Ich bin die einzige Frau, mit der er wahrhaft zusammen sein kann. Die Einzige, die ihm alles geben kann, was er braucht. Ist man das Sendicieren erst gewöhnt, erscheint alles andere unbefriedigend. Bevor ich diese Erfahrung mit Hugorio gemacht hatte, habe ich mein Leben ohne diese Art des Austausches verbracht, und selbst ich muss mir inzwischen eingestehen, dass mir etwas fehlt. Im Gegensatz zu mir ist er nicht nur zur Hälfte Filguri. Er ist damit aufgewachsen. Vermutlich hat er als Kind mehr auf diese Weise als über Worte kommuniziert.« Erst als ich all das ausgesprochen hatte, erkannte ich den Fehler in meiner ersten Theorie. Ich hatte mich getäuscht. Es ging ihm wirklich nicht nur darum, dass ich Kinder bekommen könnte. Ihm lag meine Gesellschaft am Herzen. Auf diese Art zu kommunizieren benötigte er dringender, als ich es mir vorzustellen vermochte. Schweigend drehte ich den Kopf zur Seite und blickte auf die vorbeiziehenden Wiesen und Felder. Meine Emotionen waren wie ein wirrer Knoten, der mich daran hinderte zu fühlen. Es war, als hätten sich all meine Empfindungen verflochten und gegenseitig ausgesperrt. Ich wünschte mir jemanden, der mir half, mich zu sammeln. Der mich verstand, auch wenn ich es selbst nicht tat. Der mich aus meinem blockierten Zustand riss. Daher zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Einzigen, dem ich diese Aufgabe zutraute. Der immer zu wissen schien, was in mir vorging. »Hallo, Marcel, ich bin es«, begrüßte ich ihn. »Hallo, Süße, wie geht es dir?« Er klang besorgt.
»Keine Ahnung. Darf ich heute bei dir übernachten? Ich brauche dringend eine Auszeit.«
William, den alle nur als Hugorios Vampir bezeichneten, räusperte sich. »Wir sollten auf spontane Planänderungen verzichten, sonst könnte es gefährlich werden.«
Ich ignorierte seine Einwände und konzentrierte mich auf Marcel, der meiner Bitte sofort zustimmte. »Wann bist du da?«, fragte er mich.
»Ich schätze in drei Stunden.«
»Super! Dann gehe ich einkaufen. Magst du Fondue? Und was trinkst du gerne, abgesehen von Tequila?«, scherzte er.
»Alkohol klingt gut«, stieg ich in sein Spiel ein.
»Naless freut sich schon auf dich«, lachte er und legte auf.
Grinsend steckte ich mein Handy weg. Ich fühlte mich bereits besser. »Bringt mich bitte in die Alpenstraße!«
»Wie stellst du dir das vor? Sollen wir alle gemeinsam bei deinem Freund übernachten?«, beschwerte sich Jonas. »Wir hatten noch keine Zeit, die Umgebung seiner Wohnung auf Gefahrenquellen zu überprüfen«, fügte Tares hinzu.
Ich zuckte uninteressiert mit den Achseln. Das war ihr Problem. Ich wollte nicht bewacht werden. Bei Marcel bräuchte ich ihren Schutz sowieso nicht. Ich war überzeugt, dass ich bei ihm sicherer war als bei ihnen. Außerdem war er der Einzige, der mich nie hintergehen würde. Er hatte mein Vertrauen noch nie missbraucht.

2. WG

Marcel kam gerade von einem Spaziergang mit Naless zurück, als wir vor dem Haus, in dem seine Dachgeschosswohnung lag, parkten. Er zwinkerte mir zu. »Schön, dass du gut angekommen bist.«
»Wir werden mitkommen, um Melanie zu beschützen«, informierte ihn William.
»Nein, das werdet ihr nicht!«, bedachte Marcel ihn mit einem Lächeln, das eine Mischung aus Überheblichkeit, Selbstbewusstsein und Drohung beinhaltete. Dann legte er fürsorglich den Arm um meine Schultern. »Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas passiert. Ihr könnt euch also verkrümeln«, winkte er ihnen provokant zu.
Dieses Verhalten kannte ich von Marcel nicht. Es war, als würde er es auf einen Kampf anlegen. Er empfand meinen Bodyguards gegenüber eine enorme Wut. Was hatten sie ihm getan? Da er meine drei Reisebegleiter weiterhin mit seinen Blicken provozierte, stieß ich ihm in die Rippen. »Vergiss nicht, dass sie übernatürliche Wesen sind, und du nur ein schwacher Mensch!«, ermahnte ich ihn. Sofort stoppte er dieses Spiel mit dem Feuer und führte mich ins Haus. Zu meiner Überraschung warteten meine Aufpasser tatsächlich im Freien auf mich und gaben sich damit zufrieden, die Ein- und Ausgänge zu beobachten.
In Marcels Wohnung war bereits alles für mich vorbereitet. Das Bett in seinem Gästezimmer war frisch bezogen. Auf dem Nachttisch stand eine Narzisse in einer Vase. Sogar eine kleine Packung mit herzförmigen Pralinen hatte er mir auf mein Kopfkissen gelegt. Mir wurde warm ums Herz. »Danke, Marcel!« Ein gerührtes Lächeln schlich sich über meine Lippen.
»Jederzeit wieder. Hast du Hunger?«, erkundigte er sich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Du?«
Marcel betrachtete mich nachdenklich. »Woher kommt diese Verlegenheit mir gegenüber?«
Ich hatte im Auto einen Verdacht gehabt, mit dem ich ihn konfrontieren hatte wollen. Doch plötzlich erschien mir meine Theorie lächerlich, besonders, da ich sie schon einmal überprüft und sie sich als falsch erwiesen hatte. Verunsichert starrte ich ihn an. Zaghaft streckte er die Hand aus und erfasste mit leichtem Druck meinen Ellbogen. »Komm, wir gehen in die Küche. Dort machen wir es uns gemütlich.«
Er wartete, bis ich voranging, folgte mir, bat mich, mich zu setzen und bot mir ein Getränk an. Dann schnappte er sich einen Stuhl, drehte ihn, sodass er sich im Sitzen mit den Armen auf der Lehne abstützen konnte und erforschte mein Gesicht. »So schweigsam kenne ich dich gar nicht. Was hast du auf dem Herzen?«
Die Wahrheit konnte ich ihm unmöglich verraten. »Ich frage mich nur, warum ich noch hier bin? Jeder hat stets beteuert, dass mich Hugorio sofort mitgenommen hätte, wäre ich eine Filguri«, versuchte ich ihn vom Thema abzulenken.
»Das beschäftigt dich?« Sein Blick verriet, dass er mir nicht glaubte, dass wir über mein eigentliches Problem sprachen.
»Hugorio hat gute Gründe, dich erst später mitzunehmen. Was wünscht er sich mehr als alles andere?«
Woher sollte ich das wissen? Moment, ich wusste, was ihm wichtig war. »Sendicieren?«
Marcel schüttelte lächelnd den Kopf. »Nicht nur. Natürlich möchte er mit dir kommunizieren, wie es nur die Filguri können, aber noch mehr bedeutet ihm deine Anerkennung. Was bringt ihm deine Gesellschaft, wenn du ihn mit Missgunst strafst? Er begehrt dich. Alles an dir. Dein Körper ist nur ein kleiner Teil dessen, was er will. Er hat dich letztes Jahr beobachtet. Er vermutet, dass du dich eher fügst, sollte die magische Gesellschaft entscheiden, dass deine Zukunft bei ihm ist. So, wie du es bei den Drachen getan hast. Würde er glauben, dass er dich trotz einer ›Entführung‹ für sich gewinnen könnte, wärst du schon längst auf einem seiner getarnten Grundstücke, und die drei Pappnasen, die das Haus umstellen, würden dich dort bewachen. Er hat über ein Jahr gewartet, um diese Verbindung zwischen dir und Michael endlich zu brechen. Was sind da ein paar Wochen? Er hat viele Schwächen. Aus Ungeduld überstürzt zu handeln, ist jedoch keine davon.«
»Warum weißt du immer alles?«
Marcel begann laut und herzhaft zu lachen. »Wie kommst du auf diese Idee? Obwohl ich so alt bin, treffe ich ständig Fehlentscheidungen.«
»Welche Fehlentscheidungen hast du in letzter Zeit getroffen?«, erkundigte ich mich neugierig, weil ich mir sicher war, dass er das nur mir zuliebe behauptete.
»Viele, und ich stecke noch mitten in einer.«
Ich war eine Fehlentscheidung? Unbewusst griff ich mir an die Brust, um den Schmerz, den seine Worte verursachten, zu lindern. »Bereust du, dass du mir erlaubst, bei dir zu übernachten?«
»Wie bitte?! Was?«, stieß er schockiert hervor. »Bist du verrückt?!«, fragte er hysterisch. »Ich spreche davon, dass ich weggefahren bin, während du deine Schwester verloren hast und als Michaels Gefangene wochenlang mit deiner Trauer allein gelassen wurdest. Niemand war für dich da. Sie haben dir nur eine Spritze nach der anderen in den Arm gejagt. Michael liebt dich, keine Frage. Leider ist er in seiner Liebe ebenso egoistisch wie in seinen Geschäften. Dein Glück, dass du ihn ebenfalls liebst. Denn hätte er die Macht dazu, behielte er dich auch gegen deinen Willen bei sich. Selbstverständlich würde es ihn verletzen, wenn du bei ihm unglücklich wärst, aber das brächte ihn nicht dazu, dich ziehenzulassen.«
»Das ist unfair! Du irrst dich! Er würde wollen, dass ich glücklich bin«, verteidigte ich Michael.
Schlagartig erstarrten Marcels Gesichtszüge, als hätte ich ihn schwer gekränkt. »Ich hätte das nicht sagen dürfen«, fasste er sich rasch wieder. »Entschuldigst du mich kurz? Ich gebe nur Naless sein Fressen.«
Bestürzt nickte ich. Als Marcel meinen Stimmungswechsel registrierte, zwinkerte er mir zu. »Ich habe vergessen, den Armen zu füttern, weil ich mich so sehr über deinen Besuch freue.«
Obwohl er nach wie vor bedrückt wirkte, wollte er auf keinen Fall, dass ich mich unwohl oder unerwünscht fühlte. Wie festgeklebt blieb ich auf meinem Stuhl sitzen, während er Naless’ Futternapf füllte und in dessen Zimmer stellte. Meine Hoffnung, dass Marcel sich wieder gefangen hätte, schwand, als dieser wortlos in die Küche zurückkam und schweigend begann, das Abendessen herzurichten. Ich stand auf, um ihm zu helfen und etwas gegen seine betrübte Stimmung zu unternehmen. Doch er stoppte mich mit einer herrischen Handbewegung. »Du bist mein Gast!«
»Danke, dass ich bei dir übernachten darf«, antwortete ich kleinlaut.
Schlagartig hellte sich sein Gesicht wieder auf. »Wie lange bleibst du?«
Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Die Vorstellung, heute Nacht allein in Michaels Wohnung oder unserem Haus zu verbringen, war für mich unerträglich gewesen, daher hatte ich beschlossen, Marcel anzurufen. An die Möglichkeit, mehrere Tage bei ihm zu bleiben, hatte ich nie gedacht. »Ich will dir nicht zur Last fallen.«
»Du kannst bei mir wohnen, so lange du möchtest«, entgegnete er mit mir zugewandtem Rücken. Aber seine Stimme verriet, wie glücklich er plötzlich war. Da ich schwieg, sprach er weiter: »Ich gebe dir einen Schlüssel, und du entscheidest von Tag zu Tag, wo du übernachtest. Ich halte das Zimmer für dich frei. Wenn es dir nicht gefällt, gestalte es so, dass du dich wohlfühlst.«
»Marcel, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wieso tust du das für mich?«
»Weil diese Wohnung für mich und Naless ohnehin viel zu groß ist. Ich habe, bevor ich hierher gekommen bin, Jahrzehnte mit anderen zusammengelebt. Mir fehlt Gesellschaft! Es würde mich freuen, mit jemandem zusammenzuwohnen, den ich mag.«
»Du meinst, so wie in einer WG?«
Er lächelte glücklich wie ein Kind, das sich zum Spielen verabredet hatte. »Ja genau, Melanie. Lass uns eine WG gründen! Wann immer dir Michael zu anstrengend wird, kommst du zu mir.«
Grinsend biss ich mir auf die Unterlippe. Ich hatte mich lange dagegen gewehrt, mit Michael zusammenzuziehen. Doch spätestens, als ich wieder aus dem Koma erwacht war, hatte ich mir eingestanden, dass ich nicht alleine wohnen könnte. Ich war auf Michaels Schutz angewiesen gewesen. Heute hatte sich vieles verändert. Eine WG mit Marcel würde mir das Gefühl geben, weder von Michael noch von Hugorio oder Ryoko abhängig zu sein. Sofort fühlte ich mich gelöster. Das war, ... das war fantastisch! Aus einem freudigen Impuls heraus sprang ich auf und warf mich Marcel um den Hals. »Aber ich bezahle dir Miete.«
»Du spinnst wohl!« Lachend legte er die Arme um mich. Dann senkte er den Kopf und blickte mich direkt an. Während ich ihn dankbar anlächelte, glaubte ich in seinen blauen Augen zu versinken. Wie hypnotisiert strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Automatisch rückte ich näher an ihn heran. Plötzlich stieß er mich sacht von sich und glättete sein T-Shirt und seine Jeans mit einer fließenden Bewegung. Eine absurde Handlung für jemanden, dessen Klamotten so gut wie immer zerknittert waren.
Verlegen räusperte er sich. »Komm, unser Fondue wartet!«
Anfangs saßen wir uns schweigend gegenüber, doch schon bald brach das Eis und wir unterhielten uns heiter und unbefangen. Nach dem Essen gingen wir mit Naless spazieren. Mit Marcel Zeit zu verbringen war erleichternd unkompliziert. Wir spielten mit dem Hund oder sprachen über Belanglosigkeiten. Marcels unbekümmerte und humorvolle Natur war wie Balsam für meine Seele. Zum ersten Mal seit Langem fühlte ich mich frei und sorglos. In dieser Stimmung sank ich auch in mein Bett und schlief so gut wie lange nicht mehr. Ich wurde weder von Albträumen noch von Schuldgefühlen geplagt.
Am Morgen genoss ich die Illusion eines unbeschwerten Lebens. Genüsslich schnurrend wälzte ich mich auf den Bauch und vergrub noch einmal meine Hände unter dem duftenden Kopfkissen. Als mir der Geruch von frischem Kaffee in der Nase kitzelte, streckte ich mich gähnend und setzte mich an den Bettrand. Wie hypnotisiert folgte ich in meinem Seidenpyjama dem Kaffeeduft. »Guten Morgen!«, begrüßte ich Marcel, der in der Küche stand und den Tisch deckte. Er lächelte mich glücklich an. »Wie hast du geschlafen?«
»Fantastisch!«, schwärmte ich. »Soll ich mit Naless spazieren gehen?«, bot ich an.
Er grinste verspielt. »Ich bin mit ihm schon eine Runde gerannt, um ihn ein wenig auszupowern, und anschließend bin ich noch einmal alleine gelaufen, um mich selbst zu verausgaben.«
Erst jetzt fiel mir auf, dass er nasse Haare hatte. »Bist du auf den Mount Everest gejoggt?« Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich ein übernatürliches Wesen verausgabt.
»So etwas in der Art«, schmunzelte er. Während meiner Abwesenheit habe ich William hereingebeten, um auf dich aufzupassen.«
Ich zwang meine Lippen in ein verkrampftes Lächeln.
»Was ist los?«, erkundigte er sich.
»Nichts, es ist lächerlich.«
»Was ist lächerlich? Ich liebe lächerliche Dinge.«
»Ich habe so unbekümmert geschlafen, weil ich dachte, du würdest über mich wachen. Ich vertraue dir mehr als dem Vampir.«
»Damit bist du auch gut beraten.« Er versuchte, seine Freude darüber zu verbergen, dennoch verriet ihn das Strahlen in seinen Augen. »Eigentlich wollte ich bei dir bleiben, aber ich musste meine Gedanken ordnen.«
»Hast du Sorgen?«
Er ließ seinen Blick ins Unendliche schweifen. »Ich kämpfe gelegentlich mit mir selbst. Das Richtige zu tun, ist manchmal schwer«, schüttelte er den Kopf und fokussierte nun mich.
»Jetzt nimmst du mich wieder wahr, oder?«, scherzte ich. »Geht es um eine Frau?«, bohrte ich nach, da ich seine Antwort als unbefriedigend empfunden hatte.
Er lachte laut. »Geht es nicht immer um eine Frau?« Und streckte mir mit einem Zwinkern eine Tasse Kaffee entgegen.
»Ich würde gerne die Frau kennenlernen, die es geschafft hat, dir das Herz zu stehlen.«
»Das kann ich mir vorstellen, doch das wird nicht passieren«, erwiderte er.
»Lass mich raten: Meine Anwesenheit wäre zu gefährlich für sie? Das ist neuerdings modern. Jeremeia hält es genau so. Ich habe meine beste Freundin Sarah erst einmal gesehen, seit ich aufgewacht bin. Und zu diesem Treffen nahm Jeremeia eine ganze Armada Bodyguards mit.«
»Er brachte Schiffe mit?«, gab er sich naiv.
Verwirrt starrte ich ihn an.
»Ursprünglich bezeichnete dieses Wort eine Flottenstreitmacht oder die spanische Kriegsmarine«, erklärte er schmunzelnd und warf vegane Frühstückswürstchen in eine Eisenpfanne.
Ich schnaufte vorwurfsvoll. »Das sagt man heutzutage so.«
Er biss sich auf die Unterlippe. Seine Augen funkelten. »Ich weiß ...«
Ein merkwürdiger Geruch stieg mir in die Nase. »Findest du nicht auch, dass die Würstchen eigenartig riechen?«, erkundigte ich mich.
Er schnupperte. »Nö! Übernachtest du heute wieder bei mir?«
Wie ich erfahren hatte, saß Michael aufgrund der Hochzeitsfeierlichkeiten immer noch im Herrenhaus fest. Daher war die Entscheidung, wo ich schlafen sollte, einfach. Dort, wo ich mich wohlfühlte.
Am folgenden Morgen ging ich mit Marcel und Naless spazieren. Tares, William und Jonas folgten uns mit einigen Metern Abstand. Marcel hatte einen Zauber gesprochen, der unser Gespräch vor ihnen verbarg.
Ein schwarzer R8 raste uns entgegen. Die Reifen quietschten und Dampf stieg auf, als er auf unserer Höhe stehen blieb. Michael sprang aus dem Auto und stürzte sich auf Marcel. Er packte ihn am Kragen und schlug mit der Faust auf ihn ein. »Du lässt die Finger von ihr!«, holte er erneut aus. In dem Versuch, ihn zu stoppen, hängte ich mich an seinen Unterarm.
Fluchend ließ Michael Marcel zu Boden fallen. Dieser wand sich stöhnend auf dem Gehweg und wischte sich das Blut von den Lippen. »Er hat mir den Kiefer gebrochen«, jammerte er, zwinkerte mir jedoch heimlich zu.
Michael betrachtete ihn prüfend. »Da ist nichts gebrochen! Aber wenn du ihr zu nahe kommst, ändert sich das!«
»Michael, spinnst du?!« Ich kniete mich neben Marcel. »Er ist nur ein Freund. Woher nimmst du dir das Recht, meine Freunde anzugreifen?!«
Michael streckte vorwurfsvoll den Zeigefinger auf mich. »Du hast eine Nacht mit ihm verbracht!«
»Ich hatte ein eigenes Zimmer! Wieso bist du dir so sicher, dass ich gleich mit ihm ins Bett springen würde? Du warst zwei Tage mit deiner Ehefrau zusammen. Du solltest wissen, dass das nicht sofort Sex bedeuten muss!«, schrie ich ihn an. Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund. Für ihn war klar, dass es Sex bedeutete. Ein reißender Schmerz fuhr durch meine Brust. »Du hast mit Kijara geschlafen! Deshalb denkst du, es geht nicht anders«, beschuldigte ich ihn.
»Nein!«, stieß Michael entsetzt hervor. »Das habe ich nicht! Melanie, ich schwöre es dir. Ich hasse Kijara! Sie ist die Mutter meiner Kinder, ich sollte das nicht, aber sie hat dich mir genommen.«
»Trotzdem gibt dir das noch lange nicht das Recht, meine Freunde totzuprügeln«, schluchzte ich.
»Er ist doch nicht einmal bewusstlos«, verteidigte sich Michael.
Wütend trat ich ihm gegen das Schienbein. Er lächelte dieses unanständige Lächeln, das zeigte, wie entzückend er mein Verhalten fand und zudem verhieß, dass er mir bei der ersten Gelegenheit die Kleider vom Leib reißen wollte.
»Lass uns nach Hause fahren!«, bat er mich.
»Nein! Ich bleibe heute bei Marcel. Irgendjemand muss sich ja um ihn kümmern. Er ist verletzt.«
Zufrieden grinste Marcel Michael an und hob provokant die Augenbrauen. Heimlich stieß ich ihn in den Bauch, damit er aufhörte Michael zu provozieren. Dieser wirkte ohnehin schon verloren. »Melanie, mein Temperament ist mit mir durchgegangen. Es tut mir leid. Die Geschehnisse der letzten Tage waren einfach zu viel für mich. Bitte, komm mit!«
Ich spürte seinen emotionalen Schmerz. Noch vor wenigen Tagen hätte ich mich verpflichtet gefühlt, für ihn da zu sein. Doch nun war er weg, dieser unnatürliche Drang, Michaels Gefühle über meine eigenen zu stellen. Ihm die absurdesten Dinge zu verzeihen, nur weil es ihm andernfalls schlecht ginge. »Die letzte Zeit war auch für mich schwer«, erinnerte ich ihn.
»Melanie, bitte!«, flehte er.
»Michael, fahr! Wir reden morgen.«
»Nein!«, fasste er meinen Oberarm, um mich in sein Auto zu zerren.
Wütend schritt Tares zwischen uns und stieß ihn von mir. »Wenn sie sagt, du sollst gehen, dann gehst du!«, warnte er ihn. William und Jonas stellten sich unterstützend neben ihn.
Jeden Moment konnte ein Kampf losbrechen. Vor Aufregung begann mein Magen zu rumoren. Das angespannte Knistern zwischen meinen Bodyguards und Michael schlug sich auf meine Nerven und ich übergab mich.
Sofort vergaßen die Männer ihre Streitigkeiten. Michael legte mir besorgt die Hand auf den Rücken. »Alles in Ordnung, mein Schatz?«
Ich nickte, als erneut ein Schwall meines Mageninhaltes brennend meine Speiseröhre hochstieg.
»Verlang nicht von mir, dich bei ihm zu lassen! Du bist krank. Ich möchte für dich da sein«, flüsterte Michael.
»Ich bin so wütend auf dich ...«, entgegnete ich, ehe ich unerwartet ein weiteres Mal erbrach.
»Ich weiß«, hauchte er.
»Ich bleibe!«, verkündete ich.
»Ah, du willst mir eine Lektion erteilen«, stellte Michael erleichtert fest, ehe er sich verabschiedete und in sein Auto stieg. Spätestens jetzt wäre diese Lektion wertlos geworden. Mit Michaels Verschwinden schien sich auch mein Magen wieder zu beruhigen. Dennoch kehrten Marcel, Naless und ich sofort in die Wohnung zurück. Ohne Umschweife versperrten wir die Wohnungstür vor meinen drei Bodyguards.
Marcel seufzte: »Endlich!« Einen Augenblick später war seine verletzte Lippe verheilt. »Ich kann steuern, ob und wie schnell ich heile. Außerdem musste ich mir in die Lippe beißen, damit sie blutet«, sagte er, als er mein überraschtes Gesicht sah.
»Tares und die anderen werden bemerken, dass du viel zu rasch heilst.«
»Blödsinn. Sie sind es gewöhnt und denken bestimmt nicht weiter darüber nach. Eher umgekehrt. Eine unverheilte Verletzung würde sie ständig daran erinnern, dass ich ja nur ein Mensch bin.« Schulterzuckend drehte er die Stereoanlage an. Jazz tönte durch die Wohnung. Lebensfroh bewegte er sich zur Musik, während er zum Kühlschrank ging, um sich eine Cola zu holen. Dabei drang mir ein übler Geruch in die Nase. »Das stinkt!« Demonstrativ hielt ich sie mir zu.
Marcel blickte verwirrt auf die Lebensmittel. Dann musterte er mich eindringlich. »Wann hattest du deine Periode?«
»Wie bitte?!« Dieses Thema war zu privat.
»Könntest du schwanger sein?«, hakte er nach.
»Nein!«, stieß ich entsetzt hervor. »Ich habe dir erzählt, dass und warum ich keine Kinder will. Michael verhütet magisch.«
»Ja, du hast mir aber auch verraten, dass sich Michael Kinder wünscht.«
»Nein, das würde er nicht tun! Er würde diesen Zauber nicht hinter meinem Rücken aufheben«, klang meine Stimme von Wort zu Wort verunsicherter. Täte er das wirklich nicht? Er bevormundete mich doch ständig. Nein, mir ein Kind anzuhängen, obwohl er wusste, dass ich mich dafür entschieden hatte, keine zu bekommen, war selbst unter seiner Würde. »Das hat er nicht getan!«, beharrte ich starrköpfig.
»Vielleicht hast du dir den Magen verdorben und bist deshalb sensibler?«, zuckte Marcel gleichgültig mit den Achseln. Aber der durchdringende Blick, mit dem er mich Sekunden später aus dem Augenwinkel musterte, stand nicht im Einklang mit seiner Aussage.
»Michael würde das nicht tun!«, beteuerte ich erneut. »Dennoch sollte ich einen Termin bei meinem Frauenarzt vereinbaren, um mich sterilisieren zu lassen.«
»Bist du dir sicher, dass du diesen radikalen Schritt möchtest?«
Ich nickte entschlossen. Für mich gab es einfach keinen anderen Ausweg.
»Dann begleite ich dich zu deinem Arzt.«
»Das musst du nicht.«
»Ich will es aber!«

3. Kuvert

Eine halbe Stunde starrte ich auf die gelben Blumen, die die hellblau gestrichenen Wartezimmerwände zierten.
»Elena Neuhauser!«, wurde ich mit dem Namen meiner aktuellen Scheinidentität aufgerufen.
Marcel erhob sich mit mir. Verblüfft sah ich ihn an.
»Was ist? Du bist dran. Lass uns hineingehen!«, äußerte er verwirrt. Er hatte tatsächlich noch nicht verstanden, weshalb er draußen bleiben sollte. Unbeirrt schritt er neben mir her.
»Siehst du gerne bei vaginalen Ultraschalluntersuchungen zu?«, erkundigte ich mich mit derselben naiven Selbstverständlichkeit, mit der er gefragt hatte, warum ich zögerte.
Abrupt blieb er stehen und sah mich unverständig an. »Spinnst du? Wieso fragst du? Ach so! Aber du willst doch nur über eine Sterilisation sprechen.«
»Der Arzt wird mich untersuchen wollen«, half ich ihm auf die Sprünge.
Marcels Augen weiteten sich. »Ich warte hier!« Wie von der Tarantel gestochen drehte er sich um und nahm erneut Platz. Belustigt begrüßte ich meinen Frauenarzt, der längst in der geöffneten Tür des Untersuchungszimmers gewartet hatte.

In meinen Ohren rauschte es. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Im Wartezimmer herrschte Totenstille, als ich es wieder betrat. Ein letztes Mal hielt mein Gynäkologe ermutigend meine Hand. »Sie haben noch vier Wochen Zeit, sollten Sie es sich anders überlegen.«
Paralysiert nickte ich. Ich vergaß Marcel, der auf mich wartete, und schwankte aus der Praxis in den Flur. Dort lehnte ich mich an die Wand und hämmerte mit dem Hinterkopf dagegen. »Verdammt!«, fluchte ich, wandte mich um und boxte gegen die Mauer. Die Haut meiner Fingerknöchel platzte auf und Blut tropfte zu Boden, dennoch holte ich erneut aus. Den Schmerz spürte ich nicht.
»Nicht!«, fing Marcel meinen Arm ab. Ich sah ihn an, als wäre er mir fremd. Wie konnte mir Michael das antun? Mich zu dem zu zwingen, was ich in den letzten Wochen am meisten gefürchtet hatte. Nicht grundlos hatte ich die Entscheidung getroffen, keine Kinder zu bekommen. Mein Leben war die Hölle! Ich wollte mit diesen Aussichten kein Baby in die Welt setzen. Mein eigenes Kind würde ich noch mehr lieben als Elke oder Joschi. Wie sollte ich es ertragen, müsste es mein Schicksal teilen? Wenn Tausende ihm den Tod wünschten oder versuchten, es zu ihrem Vorteil zu benutzen. Stünde Michael vor mir und ich hätte ein Messer in der Hand, würde ich es ihm in den Bauch rammen. Ich verspürte ein enormes Bedürfnis, zu ihm zu fahren und ihn umzubringen. Seit jeher hatte er über meinen Kopf hinweg entschieden. Diesmal war er zu weit gegangen.
Marcel wartete geduldig, bis ich ihn wieder wahrnahm. Er streckte mir ein braunes Kuvert entgegen. »Die Sprechstundenhilfe meinte, du hättest deinen Mutter-Kind-Pass vergessen.«
Ohne es anzunehmen, eilte ich nach draußen. Im Freien schnappte ich verzweifelt nach Luft. ›Ich werde ihn töten!‹, versprach ich mir in meiner Verzweiflung. Die dreieinhalb Kilometer bis zu Marcels Wohnung lief ich zu Fuß. Marcel folgte mir mit einigen Metern Abstand. Tares, William und Jonas hatte ich seit Stunden nicht mehr gesehen. Trotzdem wusste ich, dass sie in meiner Nähe waren. In Marcels Wohnung ging ich in Naless’ Zimmer und umarmte den weißen Schäferhund. Interessanterweise schien er als Einziger in der Lage zu sein, mir Trost zu spenden.
»Melanie, ein Kind ist kein Weltuntergang. Eines Babys wegen sollte man nur Freudentränen weinen. Du bekommst ein Leben geschenkt. Dir wird keines genommen. Gemeinsam werden wir es schon schaffen, das Kleine großzuziehen.«
Er erschrak über seine eigenen Worte. »Ich wollte sagen, dass du, selbst wenn es mit Michael nicht klappt, niemals auf dich allein gestellt sein wirst«, korrigierte er sich hektisch, setzte sich hinter mich und schloss mich in die Arme. »Alles wird gut! Ich bin für dich da, egal, was passiert. In der wievielten Woche bist du?«
»In der sechsten. Das Herz hat gerade erst zu schlagen begonnen. Es sah noch nicht wie ein Baby aus, eher wie ein pulsierender Punkt.«
Stundenlang hielt mich Marcel mit dem Rücken an sich gedrückt. Naless legte sich quer über meine Beine und aus dem Radio drang Sechzigerjahre-Musik. Als es draußen dunkel wurde, nahm Marcel für wenige Sekunden einen Arm von meiner Taille und bestellte uns bei einem Lieferservice zwei Pizzen. »Obwohl es das Letzte ist, was ich will, muss ich dich morgen für ein bis drei Tage verlassen. Diesen Termin kann ich leider nicht verschieben.«
Ich nickte schweigend und versuchte zu verbergen, wie sehr mich der Gedanke an seine Abwesenheit ängstigte. Außerdem wollte ich mit meinen Gefühlen nicht alleine sein.
»Hoffentlich bleibt es bei einem Tag«, durchbrach er unser Schweigen.
»Was musst du tun?«, fragte ich schwach.
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Wieso? Bitte erzähl es mir! Lenk mich ab!«
»Nein, Süße, streite bitte nicht mit mir. Es fällt mir jetzt schon schwer, zu gehen.«
Mit ihm streiten? Dazu hatte ich keine Kraft. »Für heute gebe ich Ruhe. Aber du wirst es mir bald verraten müssen.«
»Danke!«, sagte er erleichtert.
Abgesehen von den wenigen Minuten, die er benötigte, die Pizzen entgegenzunehmen, saß er den ganzen Abend hinter mir und hielt mich fest. Selbst während wir aßen, blieb ich an ihn gelehnt.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich völlig erschlagen, nur der Gedanke an Marcels Lächeln ließ mich aufstehen. Ich eilte in die Küche, wo nicht er, sondern Tares auf mich wartete.
»Guten Morgen!«, begrüßte er mich freundlich. »Marcel hat mich hereingebeten, als er losmusste. Michael war ebenfalls hier, um mit dir zu sprechen.«
»Ich will ihn nicht sehen!«, schnauzte ich harsch.
Tares sah mich überrascht an. »Habe ich etwas verpasst?«
Nur dass mir mein Exmann ein Kind angedreht hat, aber das würde er noch früh genug erfahren. »Entschuldige, ich wollte es nicht an dir auslassen.« Ich nahm neben ihm Platz. »Und ich will auch nicht darüber reden. Wie geht es dir?«
»Gut, danke! Ich bin gern für deine Sicherheit verantwortlich. Dann muss ich mir keine Sorgen um dich machen.«
Naless setzte sich neben mich auf den Boden und legte seine Schnauze auf meine Oberschenkel. Liebevoll kraulte ich ihn hinter den Ohren.
»Ich habe dem Menschen versprochen, dass wir auf das Tier aufpassen.«
Über seine Wortwahl musste ich schmunzeln. »Der Mensch heißt Marcel und das Tier Naless.«
»Wünschst du dir irgendetwas? Kann ich etwas für dich tun?«, fragte Tares, den meine depressive Stimmung verwirrte.
»Ja, gibst du mir bitte meinen Talisman zurück?« Er hatte ihn mir vor einigen Wochen, als ich aus Michaels Villa zu türmen versucht hatte, abgenommen.
»Natürlich, ich werde ihn später holen.«
Danach starrte ich auf den Frühstückstisch und schwieg. Ich dachte an alles, was geschehen war, seit ich Michael getroffen hatte. Wie sollte ich ein Kind in diese Welt setzen. Sie würde es für ein Monster halten. Würde es eine Tochter, bliebe ihr nichts von dem, was mir passiert war, erspart. Bisher waren für mich die Schmerzen und das Leid, das ich persönlich erlitten hatte, nicht von Bedeutung gewesen. Gequält hatte mich vielmehr, was meinen Liebsten angetan worden war. Doch nun, als ich mir vorstellte, dass mein Kind dasselbe durchleiden müsste wie ich, zerriss es mich förmlich. Als der Arzt meinen schockierten Blick und die Tränen in meinen Augen gesehen hatte, nachdem er mir offenbart hatte, dass ich schwanger sei, hatte er gefragt, ob ich abtreiben wollte. Ich entschied mich sofort dagegen. Ich würde es nicht töten, nur weil sein Leben schwer werden könnte. Solange es lebte, hatte es eine Chance auf Glück. Ich wusste jetzt schon, dass ich in ein paar Wochen die Geburt kaum noch würde erwarten können. Spätestens sobald ich es zum ersten Mal im Arm hielte, würde ich es über alles lieben. Trotzdem brauchte ich Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen.
Um mich abzulenken, stand ich auf, ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Tares folgte mir, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Er nahm neben mir Platz und warf mir den einen oder anderen besorgten Blick zu.
Irgendwann schnappte ich das braune Kuvert, in dem noch immer mein Mutter-Kind-Pass steckte, und verließ die Wohnung. Unabhängig davon, wie wütend ich auf Michael war, war er dennoch der Vater. Ich konnte ihn nicht aus meinem Leben ausschließen. Ich schuldete es meinem ungeborenen Kind, dass ich wenigstens mit ihm sprach. Also rief ich ihn an: »Hallo, Michael, wir müssen sprechen! Ich komme gleich zu dir, falls du zu Hause bist.«
»Sehr gerne, ich fahre sofort in die Villa. In zehn Minuten bin ich dort. Heute ist die Versammlung, bei der Hugorio dich einfordern will. Wenn du da bist, reden wir darüber. Ich liebe dich!«, erwiderte Michael. War meine Liebe zu ihm groß genug, um ihm seinen neuesten Verrat zu verzeihen? Egal wie verärgert ich war, wir mussten uns unterhalten.
Wie vereinbart wartete er in der Villa auf mich. Er saß auf der Wohnzimmercouch und las in seinen Unterlagen. Als er mich bemerkte, hob er den Kopf, sprang auf und riss mich in seine Arme. »Worüber möchtest du sprechen?«, fragte er und küsste mich. Mit den Ellbogen versuchte ich, ihn von mir zu drücken. Da er mir kräftemäßig überlegen war und nicht daran dachte, mich loszulassen, ließ ich den Kuss schließlich teilnahmslos über mich ergehen.
»Ich liebe dich! Alles, was ich tue, tue ich, weil ich dich liebe«, schien er mich förmlich um Vergebung anzuflehen. Er wusste doch noch nicht, weshalb ich hier war. Ich griff in meine Tasche, zog das braune Kuvert heraus, um es ihm zu überreichen, und öffnete den Mund. Ehe ich ein Wort sagen konnte, presste mir Stefan, der zusammen mit Jeremeia ins Zimmer gestürmt war, die Hand auf die Lippen, schob mich an der Schulter rückwärts zur Couch und warf mich darauf. Dort fixierte er mich mit seinem Gewicht. Nach wie vor knebelte mich seine Handfläche. Sofort saß Jeremeia neben uns und biss mir in den Hals. Für mehrere Sekunden war ich wie gelähmt. Hektisch sog ich Luft in meine Lungen. Ich konnte nicht fassen, was hier geschah. Ich verstand nichts mehr.
Michaels Augen glänzten leidend. »Melanie, versuch dich zu entspannen. Ich weiß, dass du kein Vampir sein willst, aber es ist die einzige Möglichkeit, wie wir für immer zusammenbleiben können und du vor Hugorio und den Drachen sicher bist. Um dich zu verwandeln, muss Jeremeia dein Blut trinken, also lass es einfach zu und beruhige dich!«
Man hatte mir meine Identität genommen. Sie durften mich nicht auch noch meiner Natur berauben. Ich bewegte meinen Kopf hin und her, um Stefans Hand abzuschütteln und Jeremeia zu stoppen. Ein Wort! Ich müsste nur ein Wort sagen, um es ihm zu verbieten, und er würde sich vor Schmerzen auf dem Boden krümmen. Mein Blut konnten mir Vampire nicht gewaltsam entreißen. Zumindest nicht, wenn ich fähig war zu sprechen. Stefans Hand klebte erbarmungslos auf meinem Mund.
Ich spürte, wie Jeremeia das Blut aus mir sog. Mein Magen verkrampfte sich. Mein Herz schien zu zerspringen. Wieso tat er mir das an? Ein kalter Schauer durchlief meinen Körper. Ich hatte das Gefühl zu erfrieren. Ich wollte nicht als Vampir leben. Ich brauchte die Sonne wie die Luft zum Atmen. Ich war eine Filguri. Ein Kind der Sonne. ›Hört auf!‹, versuchte ich Michael anzuschreien. Doch bis auf ein merkwürdiges Murmeln brachte ich nichts zustande. Tränen rannen mir über die Wangen. Mit meinen Augen flehte ich ihn um Erbarmen an. Es wäre gnädiger von ihm, mich zu töten. Er wusste, dass ich so empfand. Er wusste jedoch auch, dass ich Jeremeia gehorchen müsste, sollten sie Erfolg haben. Befähle dieser es mir, würde ich Michael vergeben. Darauf baute er.
Bald würde Jeremeia das letzte bisschen Kraft aus mir gesaugt haben. Er zog seine Zähne aus meinem Hals und sammelte etwas von meinem Blut in ein Gefäß, dann biss er erneut zu. Ich zitterte vor Angst. Das Baby! Was geschähe mit dem Baby? Würde es sterben? Ich hatte diese Schwangerschaft nicht gewollt, aber nun war es, wie es war. Ich würde ihn daran hindern, mein Baby zu töten! Ein grelles Licht schoss aus meinen Handflächen und schleuderte Stefan gegen die Wand. Ich riss den Mund auf, um zu schreien. Mit übermenschlicher Geschwindigkeit stürzte sich Michael auf mich. Noch bevor ich einen Ton von mir geben konnte, rammte er mich auf die Couch zurück und presste mir seine rechte Hand auf den Mund. Mit der anderen traf er mich so hart am Bauch, dass mir die Luft ausblieb und ich mich erbrach. Dennoch weigerte er sich, mich freizugeben, und ich verschluckte mich an meinem eigenen Mageninhalt. Brennend rannen mir kleine Mengen meines Erbrochenen in meine Lungen und durch meine Nasenlöcher. Ich bemühte mich, mich zu konzentrieren, um den Aufprall meiner filgurischen Sybielle abzuschwächen, doch die Gesichter der Peris verschwammen vor meinen Augen. Unbarmherzig schlugen die goldenen Linien auf meiner Haut auf. Schmerzvoll brannten sie sich in mein Fleisch. Ich sah ein letztes helles Aufblitzen, dann schlossen sich meine Lider. Das Leben sickerte aus mir, bis die gutmütige Energie des Unbekannten es in mich zurückdrängte. Er schien verzweifelt, während er mich mit seiner Energie durchfloss, mir Kraft gab und mich mit seiner Wärme heilte. Von ihm behütet, fiel ich in einen tiefen traumlosen Schlaf, aus dem ich in Marcels Wohnung erwachte.
Marcel saß auf der Bettkante und beobachtete mich. Er wirkte blass. Seine Augen waren rot unterlaufen und hatten ihren üblichen Glanz verloren. »Geht es dir nicht gut?«, erkundigte ich mich besorgt.
Er lächelte wehmütig und eine Träne floss ihm über die Wange. »Das fragst du mich? Ich liege nicht im Bett, weil mich mein Exmann fast umgebracht hätte.«
Ich konnte noch immer nicht glauben, geschweige denn verstehen, was passiert war. Hatte Michael tatsächlich versucht, mich in einen Vampir zu verwandeln? Wir hatten einmal darüber gesprochen. Damals hatte ich ihm erklärt, dass ich unter keinen Umständen ein Vampir werden wollte. Vermutlich war er daher das Risiko, erneut um meine Einwilligung zu bitten, aus Angst, ich würde ablehnen und allen Vampiren, die wir kennen, verbieten mein Blut zu trinken, nicht eingegangen.
Marcel hatte seinen Blick gesenkt. Mit dem Daumen streichelte er über meinen Handrücken. »Ich muss mit dir sprechen. Unser gemeinsamer Freund ist zu spät gekommen.«
»Nein, ist er nicht! Er hat mich gefunden und gerettet«, beruhigte ich ihn.
Er schluckte schwer. »Ja, dich hat er geheilt. Aber für das Baby konnte er nichts mehr tun. Sein Herz hörte zu schlagen auf, als er dich fand.«
Sagte er mir gerade, dass ich das Baby verloren hatte? Hektisch schnappte ich nach Luft. Ich glaubte, mein Herz brechen zu hören. Verzweifelt verdrängte ich den Gedanken daran. Nein! Nicht schon wieder ertrüge ich einen Verlust. Ich hatte keine Kinder gewollt. ›Nun hat sich das Problem von selbst erledigt. Es war doch kaum mehr als eine einzelne Zelle‹, redete ich mir ein. »Ich wollte ja keine Kinder!«, behauptete ich, ohne auch nur die geringste Gefühlsregung zu zeigen.
Marcel schien noch blasser zu werden. Bestürzt betrachtete er mich. Vermutlich hielt er mich für ein kaltblütiges Monster. Er rieb sich die Stirn, dann blickte er mir in die Augen. »Tu dir das nicht an!«
»Was?«, fragte ich aufsässig.
»Wenn du deinen Schmerz verleugnest, wird er dich auffressen. Es war nicht deine Schuld.«
»Verschon mich mit deinen Glückskeksweisheiten. Wieso denkst du eigentlich, dass du immer alles besser weißt?! Du hast ja keine Ahnung!« Kein Wort von dem, was ich sagte, meinte ich so. Ich war wie ein tollwütiger Hund, der um sich biss. In Wahrheit schätzte ich Marcel für seine Sicht auf die Welt.
Marcels Blick durchbohrte mich. Wortlos nahm er mich in den Arm. »Es tut mir so schrecklich leid. Ich weiß, wie sehr du dein Baby bereits geliebt hast, obwohl du es dir nicht erlauben wolltest.«
»Viele verlieren in der sechsten Woche ihr Kind. Es ist nichts Außergewöhnliches«, erwiderte ich uneinsichtig. Der Fötus war gestorben. Diese Erkenntnis versuchte ich zu ignorieren. »Ich werde mich nicht dazu zwingen, mich schlecht zu fühlen«, bestärkte ich meinen Entschluss. Trotzdem verschwand der Druck auf meiner Brust, der mir die Tränen in die Augen trieb, nicht.
»Das verlange ich doch nicht«, zog er mich an sich und drückte seine Wange auf meine Stirn.
Aus der Küche hörte ich mein Telefon läuten. Als ich aufstehen wollte, hielt mich Marcel zurück. »Bleib liegen, ich hole es! Es ist bestimmt Michael. Er ruft halbstündlich bei dir an.«
»Ich will nicht mit ihm sprechen!«, schüttelte ich panisch den Kopf.
Wut funkelte in Marcels Augen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Glaub mir, ihn nicht zu töten, hat unseren gemeinsamen Freund alles an Selbstbeherrschung abverlangt, was er aufbringen konnte«, knurrte er, als er den Anruf abwies. Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. Instinktiv zuckte ich zusammen.
»Warte, ich schicke ihn weg!« Marcel stand auf, um Michael abzuwimmeln. »Marcel, er darf nicht wissen, dass du ...« ›...kein Mensch bist‹, wollte ich sagen, doch Marcel stoppte mich mit einem einwilligenden Nicken.
»Ich muss Jeremeia erst verbieten mein Blut zu trinken, bevor du öffnest.« Nicht dass sie erneut versuchten, mich gegen meinen Willen zu verwandeln.
»Du brauchst es nicht auszusprechen, um es ihm zu untersagen. Es genügt, wenn du es dir suggerierst«, sicherte er mir zu, um mich zu beruhigen. Umso betroffener war er, als er meinen verzweifelten Gesichtsausdruck sah. Es war meine Schuld. Mit genügend Willenskraft hätte ich es verhindern können. Meine Hände fühlten sich eiskalt an, als ich mir die Tränen aus den Augen wischte.
Marcel betrachtete mich ratlos, ehe er aus dem Zimmer ging, um sich Michael zu stellen. »Was willst du hier?!«, begrüßte er ihn kalt. Der Klang seiner Stimme sagte so viel mehr. Er teilte Michael mit, dass er wusste, was geschehen war, dass er es missbilligte und wütend auf ihn war, und dass er ihn weder mochte noch hier haben wollte. Er schaffte es, all das mit nur vier Worten auszudrücken.
»Ich will mit ihr sprechen! Du wirst mich nicht abhalten!«, erwiderte Michael mit der dominantesten und entschlossensten Stimmlage, die ich je bei ihm gehört hatte.
Meine Lippen und Hände zitterten. »Geh weg!«, flehte ich.
»Nein!«, stand er plötzlich vor mir. Mit den Füßen schob ich mich nach hinten gegen das Kopfteil des Betts. Mir wurde schlecht. Er sollte verschwinden. Wie einen Geist starrte ich ihn an. Ich wollte ihn nie wiedersehen.
»Melanie, bitte, ich bin es. Ich will doch nur dein Bestes.«
Ein reißender Schmerz durchfuhr meine Brust und meine Atmung beschleunigte sich. Kein Wort drang über meine Lippen. Als Michael seine Finger nach mir ausstreckte, wich ich panisch aus. Nicht mein Bestes war es, was er wollte. Ehe er mich verlöre, würde er riskieren, dass ich die Ewigkeit unglücklich verbrächte. Allein die Vorstellung, von einem Leben ohne Sonne war unerträglich. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.
»Das reicht, du gehst jetzt!«, fasste Marcel nach Michaels Oberarm.
Gewaltvoll stieß ihn Michael von sich. »Misch dich nicht ein!«
Marcel sprang auf. An der Art, wie er sich bewegte, erkannte ich, dass er kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren. Niemand durfte wissen, dass er kein Mensch war. Würde es bekannt, verbäte mir Hugorio womöglich den Umgang mit ihm.
»Geh! Bitte geh! Sonst rufe ich meine Bodyguards«, drängte ich Michael weinend, obwohl ich keine Ahnung hatte, wo die drei steckten.
»Fürchte dich nicht vor mir«, flehte dieser.
War er geisteskrank? Er hatte mich hintergangen, mir in den Bauch geschlagen und unser Baby getötet. Ich schluckte verstört. Wie viel Leid hatte er mir schon zugefügt? Doch diesmal hatte er mit seinem Egoismus nicht nur mir geschadet. Ich hatte gedacht, ich würde ihm den Tod wünschen. Trotz allem tat ich es nicht. Aber ich freute mich über die zahlreichen Verletzungen, die in seinem Gesicht zu sehen waren. Mein Unbekannter musste ihm ordentlich zugesetzt haben, wenn seine Wunden bisher nicht verheilt waren.
»Bitte, Melanie, rede mit mir!«, versuchte er erneut an mich heranzukommen. Rasch wandte ich den Blick von ihm ab. Dennoch zwangen mich meine empathischen Fähigkeiten, an seinen Emotionen teilzuhaben. Er litt mindestens genauso sehr wie ich. Seine Verzweiflung, seine Hilflosigkeit und seine Angst, mich für immer verloren zu haben, schnürten ihm die Luft ab. Sein Leid verschaffte mir keine Genugtuung. Meine eigenen Gefühle zu ertragen, war schwer genug. »Wie konntest du mir das antun? Ich habe dir vertraut ...«, versagte meine Stimme. Verzweifelt betrachtete er mich. Dann streifte ein Luftzug meine Wange. Er war verschwunden und mit ihm seine Emotionen.
Marcel schloss mich in die Arme. »Wenn du willst, reiße ich ihn in Stücke.«
Schluchzend schüttelte ich den Kopf.
»Natürlich nur dir zuliebe. Ich könnte ihm aber auch nur jeden Knochen brechen.«
Wieder verneinte ich mit einer Kopfbewegung.
»Die Finger?«, funkelten seine Augen unanständig. Sein um Erlaubnis flehender Blick entlockte mir tatsächlich ein Grinsen. »Nein, lass nur! Ich möchte nicht, dass du meinetwegen dein Gewissen belastest.«
»Och, glaub mir, damit käme ich schon zurecht.« Er biss sich auf die Unterlippe und nickte mir bestärkend zu.
Traurig lächelte ich. »Nein, er soll mich einfach in Frieden lassen!«
»Ich werde mit ihm reden«, akzeptierte er meinen Wunsch.
Michael ließe sich von Marcel nichts befehlen. Es sei denn, er würde ihm sagen, wer er war. Moment! Nicht einmal ich wusste, wer er war!
Er beobachtete mich. »Melanie, wenn ich ihm erzähle, dass du schwanger gewesen bist, wird er auf mich hören.«
»Nein! Ich will nicht, dass er es erfährt. Er zerbräche daran.«
Völlig entgeistert starrte mich Marcel an. »Ja und! Was ist mit dir?«
Ich war dieses gegenseitige Verletzen leid. In Michaels Leiden sah ich keine Erleichterung. Diesen Schmerz wollte ich zumindest einem von uns ersparen. Ich biss mir auf die Unterlippe und kämpfte gegen meine Tränen. ›Es war nur ein Zellklumpen‹, verleugnete ich den Verlust erneut. Aber die Verzweiflung, die in mir nagte, ließ sich nicht vertreiben. Ich erhöhte den Druck auf meine Lippen, bis ich mein eigenes Blut schmeckte. »Ich war erst in der sechsten Woche!«, drehte ich mich zur Seite. Ein Schluchzen entwich meiner Kehle. Nein, so konnte es nicht weitergehen!
Plötzlich erschien Hugorio neben mir. »Bist du in Ordnung?« Er legte seine Finger auf meine Wangen. Seine Energie floss zu mir.
»Mir geht es gut«, versperrte ich mich ihm. Ich würde es nicht schaffen, mich ihm nur insoweit zu verschließen, dass er nicht erführe, was Michael versucht und somit angerichtet hatte. Der Filguri war immer sehr beherrscht gewesen, doch für den Mord an einem seiner Art, wenn auch nur einem Ungeborenen, würde er ihn töten.
Verstört zog er seine Hände zurück. »Weshalb sperrst du mich aus? Was ist geschehen?«
Abweisend schüttelte ich den Kopf. »Ich werde ab jetzt bei Marcel wohnen. Wir haben eine WG gegründet.« Mit einem unsicheren Blick zu Marcel vergewisserte ich mich, dass sein Angebot noch stand.
»Was ist mit Michael?«, fragte Hugorio misstrauisch.
»Er hat jenen Teil meines Lebens, der mich mit ihm verband, getötet. Wie lief mein Auslieferungsverfahren?«, lenkte ich ihn von meinem Exmann ab.
Hugorio schluckte verärgert. »Mein nichtsnutziger Bruder hat mich boykottiert. Er hat sich gegen deine Auslieferung ausgesprochen und gefordert, dass du über dein Leben selbst bestimmen darfst. Jahrzehnte ignoriert er diese Welt und dich, versauert in irgendeinem Kloster, und ausgerechnet jetzt kehrt er zurück, um mir das Leben zu erschweren.«
»Das heißt, ich bleibe in Salzburg und studiere weiter?«
»Mir wäre es lieber, wenn du mit mir kommen würdest. Doch ich werde dich zu nichts zwingen. Tares wird die Wohnung gegenüber erwerben.«
»Danke!« Ich versuchte zu lächeln.
»Du könntest dich revanchieren, indem du mich zum Essen einlädst«, scherzte der Filguri.
»Selbstverständlich, aber könnten wir das auf morgen verschieben? Heute möchte ich schlafen.« Obwohl mir die Ablenkung vermutlich guttäte und verhindern würde, dass ich mich in Lächerlichkeiten hineinsteigerte. Also nickte ich. »Oder lass uns gleich gehen. Auf was hast du Lust? Italienisch, Chinesisch, Thailändisch, Indisch?«
»Wähl du!«
»Chinesisch.«
»Einverstanden, und zieh dir etwas Vernünftiges an. Ich unterhalte mich derweilen mit Tares.«
Marcel saß nach wie vor neben mir. Misstrauisch sah er Hugorio nach. »Ich besuche in der Zwischenzeit ausnahmsweise wieder einmal meine Vorlesungen.« Er zwinkerte mir zu und schwang die Beine aus dem Bett.
»Marcel, warte! Ich schulde dir auch noch ein Essen. Willst du mitkommen?«
Erfreut lächelte er mich an. »Klingt, als wolltest du mich dabeihaben.«
»Ich fühle mich bei dir sicher«, gestand ich mit hochrotem Kopf. Außerdem liebte ich seine Lebensfreude und seine ›Glückskeksweisheiten‹. Seine Nähe gab mir Kraft.
»Geh mit Hugorio! Er wünscht sich, Zeit mit dir zu verbringen, nicht mit mir.«
Die Enttäuschung stand mir ins Gesicht geschrieben. Marcel fing meinen Blick sofort ein. »Dieses Essen, das du mir schuldest, möchte ich doch nicht mit diesem Loser teilen«, entgegnete er schmunzelnd.
Ich verstand, was er tat. Auf keinen Fall würde er mir erlauben, mich seinetwegen zurückgewiesen oder schlecht zu fühlen.
»Und jetzt zieh dir dein zweitschönstes Kleid an«, grinste er. Er hatte meine Sachen bereits von Michael geholt und in meinem Kleiderschrank verstaut.
»Warum nicht mein schönstes?«, fragte ich.
»Das brauchst du, wenn du mit mir ausgehst.«
»Ach so«, lächelte ich unanständig.
Er zwinkerte mir zu und schnalzte mit der Zunge, bevor er laut zu lachen begann und ich miteinstimmte. Marcel war ein Segen. Niemandem gelang es so schnell, mich aufzumuntern, wie ihm. Wenig später verließ ich in meinem zweitschönsten Kleid mit Hugorio das Appartement. Nicht, weil ich ihm gefallen wollte, sondern weil er legere Kleidung weit mehr begrüßt hätte.
»Danke, dass du mich nicht zum Mitkommen zwingst«, flüsterte ich, als wir im Auto saßen.
Hugorio wuschelte mir durchs Haar. »Du bist eine Filguri. Niemand hat das Recht, dich zu irgendetwas zu zwingen.«
Ich betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. »Ich habe viele Fragen an dich. Seit wann weißt du, dass ich eine Filguri bin?« »Die Antwort kennst du doch«, erwiderte er freundlich.
»Seit William mein Blut gekostet hat?«
»Nein, in dem Moment ließ ich den Gedanken, dass du zu einem kleinen Teil Filguri sein könntest, zum ersten Mal zu, aber geglaubt habe ich es erst, als du dich nach Vlads Übergriff vergiftet hast. Damals hast du mir einen ordentlichen Schreck eingejagt. Nachdem du angeblich mit deinen Eltern gestorben warst, hatte ich das unvorstellbare Glück, noch eine lebende Filguri zu entdecken, und diese hatte sich entschlossen eher zu sterben, als mir zu vertrauen. Ja! Das zwingt einen, sich selbst aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. In der vorhin erwähnten Nacht erlaubte ich Vlad nicht nur der Lustrare wegen zu leben. Ich fürchtete, dich noch mehr zu verängstigen. William hatte, als er dein Blut gekostet hatte, sofort die Theorie aufgestellt, dass du Onirena seist. Deswegen hat er nach deinem Alter gefragt und sich erkundigt, welcher Flosnuri sich für dich eingesetzt hatte. Während ich nach Vlads Angriff bei dir im Bett lag und dich beobachtete, fiel mir ein, dass Onirena immer noch Michaels Mukadis wäre. Daher machte ich deine Verbindung zu ihm sichtbar.« Er tippte mir auf die Nasenspitze. »Du hast mich dabei erwischt! Dein Drachenanteil erklärte, wie du es schaffen konntest, dich aus einem ausbrechenden Vulkan zu retten. Im Gegensatz zu deinem Vater und den anderen Filguri schwächt dich die Erdkernnähe und Abgeschiedenheit von der Sonne nicht. Der Erdkern stärkt dich weniger als die Sonne, weil du nur ein Sechzehnteldrache bist, aber er gab dir genügend Kraft, um dich zu retten. Hier sind wir an dem Punkt, der mir Rätsel aufgibt. Dein Vater und deine Mutter sind an diesem Tag gestorben. Wer hat dich also in deinen goldenen Käfig gesteckt? Denn als du dich mit deiner Mutter aus meiner Villa zu deinem Vater in den Vulkan schlichst, warst du noch frei. Verano konnte den Zauber nicht mehr durchführen, und einem dahergelaufenen Elfenwesen oder Drachen traue ich ein solches Meisterwerk nicht zu. Wer verfügte über ausreichend Macht, dich einzusperren? Anfangs verdächtigte ich meinen Bruder Marell ...«
»Langsam ...!«, unterbrach ich ihn.
»Vulkan ...?, aus deiner Villa geschlichen? Ich habe doch keine Ahnung, wovon du sprichst. Was ist damals geschehen?«
»Etwas, das ich nie wollte.« Hugorio hatte das Auto vor dem Restaurant gestoppt. »Lass uns zuerst hineingehen!«, schlug er vor, als erbäte er Zeit seine Gedanken zuvor zu ordnen.
Endlich würde ich einen Teil meiner Geschichte erfahren. Zumindest, wie sie aus Hugorios Perspektive gewesen war. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Im Laufschritt ging ich in das Restaurant und setzte mich an den erstbesten Tisch, um keine Sekunde zu verschwenden. Den Kellner, der uns die Speisekarten reichte und höflich fragte, was ich trinken möchte, ignorierte ich.
Hugorio hob missbilligend die Augenbrauen. »Ich denke, die Zeit ein Getränk auszuwählen, haben wir.«
»Pflaumenwein!«, blaffte ich den Kellner an.
»Mir ist wichtig, dass du mich verstehst. Daher werde ich ausschweifen. Dir ist bekannt, dass ich noch ein kleiner Junge war, als meine Eltern starben. Außerdem weißt du, wie es dazugekommen ist.«
Ich nickte ernst. Ziwik hatte seine Eltern vor seinen Augen getötet.
»Eines Abends kam mein Vater euphorisch nach Hause. Er hatte einen Zauber entwickelt, mit dem er alle Drachen auf einmal hätte töten können. Meine Mutter war ein wenig wie du: zu gut für diese Welt. Sie flehte ihn an, es nicht zu tun. Ich höre sie heute noch: ›Wie viele müssen noch sterben, bevor man endlich über Frieden spricht? Eine Art auszurotten kann nicht gut sein. Wir würden das magische Gleichgewicht zerstören. Die Drachen sind die letzten erdverbundenen Wesen der alten Magie. Wer weiß, welche Auswirkungen ihr Verschwinden für uns Filguri hätte? Ihr müsst irgendwann begreifen, dass jedes Leben wertvoll ist.‹ Sie sprach so lange auf ihn ein, bis er ihr bei seinem Leben schwor, diesen Zauber niemals anzuwenden, und daran hielt er fest.« Hugorio sah mir eindringlich in die Augen. »Melanie, ich schätzte ihre Gutmütigkeit. Aber sie lehrte mich auch, warum wir manchmal einfach tun müssen, was zu tun ist. Mein Vater hätte nie auf sie hören dürfen. Hätte er gehandelt und getan, was erforderlich war, dann würden sie alle noch leben. In seiner Liebe zu ihr hat er sie und jede Filguri geopfert. Du bist wie meine Mutter. Dein Herz verhindert, dass du tust, was nötig ist.«
Er streichelte mir über die Wange. »Ich bin nicht wie mein Vater. Ich werde dich vor dir selbst beschützen. Wenn du es nicht schaffst, das Notwendige zu tun, tue ich es.«
Erschrocken wich ich zurück. Es mag als Zuspruch gedacht gewesen sein, für mich fühlte es sich jedoch wie eine Drohung an. Hugorio ignorierte meine Reaktion und fuhr fort: »Nach dem Tod meiner Eltern führte mein Bruder den Krieg weiter, bis der Fluch ausgelöst wurde.«
»Hast du dir noch nie überlegt, dass es vielleicht nie zu dem Fluch gekommen wäre, hätte jemand wie deine Mutter die Filguri angeführt? Immerhin wurde der Fluch aus Hass geboren.«
Hugorio verdrehte die Augen. »Nachdem der Fluch sich entfaltet hatte, starben zuerst die Frauen und bald auch viele ihrer Männer, weil sie die Einsamkeit ohne ihre Lebenspartnerinnen nicht ertrugen.«
»Männliche Filguri können sich ebenfalls vergiften«, erkannte ich.
»Selbstverständlich. Mit jedem Filguri, der sich für den Tod entschied, wurde ich einsamer. Als dann mein Bruder und Verano sich verabschiedeten, um in buddhistischen Klöstern zu leben, blieb mir keiner meiner Art erhalten. Ich denke, du verstehst inzwischen, dass das Sendicieren durch nichts ersetzt werden kann. Ich habe es in deinen Augen gesehen, als du dich mit deiner Energie in Michael begabst. Er könnte dir nie geben, was du brauchst. Offensichtlich hast du es jetzt, da eure Verbindung gebrochen ist, selbst begriffen«, stellte er selbstgefällig fest.
Er war ja so stolz auf sich. Dabei hatte er Michael in die Enge getrieben, bis dieser unüberlegt handelte und unser Baby tötete. Wie gern hätte ich ihm meine Gedanken an den Kopf geworfen. Doch dazu müsste ich ihm erzählen, was vorgefallen war. Was zwischen Michael und mir gewesen war, gehörte für mich der Vergangenheit an. Dennoch wünschte ich mir nicht seinen Tod. Also biss ich die Zähne zusammen, würgte den bitteren Beigeschmack hinunter und gab mir Mühe, meine Wut nicht zu zeigen.
»Du bist immer noch wütend auf mich, weil ich geholfen habe, eure Verbindung zu lösen«, schmunzelte Hugorio und erzählte weiter: »Als dein Vater sich dann in eine Menschenfrau verliebte und mit ihr Nachwuchs erwartete, war das Glück, das ich empfand, unbeschreiblich. Nachdem die ersten Drachen mit Menschenfrauen Kinder bekommen hatten, hatte ich dies auch öfter versucht. Es gelang mir nie. Irgendwann vermutete ich, dass wir mit den Menschen einfach nicht kompatibel wären. Damals hatte ich keine Ahnung, dass deine Mutter eine Achteldrachin war. Wie der alte Fuchs es geschafft hat, dies zu verbergen, frage ich mich ständig. Dein Vater besaß weder ein Haus noch modernes Geld, daher bat ich ihm ein Einfamilienhaus in meiner Nähe an, in dem er mit seiner kleinen Familie leben könnte. Bis heute verstehe ich nicht, weshalb er ablehnte. Selbst meinen Schutz vor den Lustraren, den ich ihm dank des Netzwerkes, das ich mir über die Jahrhunderte aufgebaut hatte, hätte bieten können, lehnte er ab und hinterging mich, indem er dich mit Michael vermählte. Es war für mich ein Schlag ins Gesicht. Ich bot ihm meine Hilfe mehrmals an, aber er bevorzugte es, sich auf einen Peri zu verlassen. Was hat er sich nur dabei gedacht?«
Hugorio hatte es nie verstanden, dass er es gewesen war, vor dem mich mein Vater hatte schützen wollen, nicht vor den Lustraren. Marcel hatte es mir erzählt. Hugorio hatte mich, sobald er von mir erfuhr, zu seiner Zukunft erklärt. Da ich zu Hugorio Marcel zuliebe nicht ehrlich sein konnte, zuckte ich ahnungslos mit den Achseln. »Was ist danach geschehen?«
»Ich war möglicherweise etwas beleidigt auf deinen Vater. Vielleicht sollten wir es für heute dabei belassen.«
»Du hast recht. Ich bitte einfach Martellius, mir den Rest der Geschichte zu erzählen.«
Er kniff die Augen zusammen und zeigte drohend auf mich, ehe er weitersprach. »Wenn ich will, dass du mich verstehst, dürfte ich wohl keine andere Wahl haben. Einige Wochen nachdem du Michaels Mukadis geworden warst, setzte dein Vater den Schutzzauber auf Martellius’ Haus. Martellius hatte ihnen vorgeschlagen, bei ihm zu wohnen. Daher planten deine Eltern, dich dort aufzuziehen. Martellius’ Angebot nahm er an!«, bemerkte Hugorio verbittert und holte tief Luft. »Michael war mit dir und deiner Mutter in die Stadt gefahren, damit dein Vater in Ruhe arbeiten konnte. Verano versuchte einen Weg zu finden, Michaels Tochter zu retten. An diesem Tag habe ich dich und deine Mutter auf mein Anwesen in Kalifornien mitgenommen.«
»Mitgenommen oder entführt?«, fragte ich ihn.
»Deine Mutter kam nicht freiwillig mit. Du hingegen schienst kein Problem damit zu haben.«
»Ich war ein Baby!«
»Baby ist wohl übertrieben. Du konntest bereits krabbeln und hast dich angeregt mit mir unterhalten. Über deine Energie warst du schon immer sehr mitteilsam. Als dein Vater davon erfuhr, kam er sofort zu mir. Ich erlaubte ihm nicht, euch wegzuholen. Daher kam es zu einem Kampf, den ich mit der Unterstützung meiner Männer, die ich vorsichtshalber zu mir beordert hatte, gewann. Wir überwältigten ihn, und ich brachte ihn in eine Höhle in den Tiefen eines schlafenden Vulkans, um ihn zu schwächen. Mehrere Wochen wart ihr, du und deine Mutter, meine Gäste. Tares meldete sich jeden Tag freiwillig, um auf dich aufzupassen. William, Jonas und Kottak stritten sich mit ihm um diese Aufgabe. Du warst zu unserem wertvollsten Mitglied geworden. Alle waren verrückt nach dir. Eigentlich wollte ich dir Fotos von dir als Kleinkind und unserer Männerrunde zeigen, aber das Talahar, das die Drachen durchgeführt haben, um dich verschwinden zu lassen, hat sie alle vernichtet. Du warst bei mir glücklich. Deine ersten Schritte hast du bei mir gemacht. Doch als Filguri spürtest du die Unruhe deiner Mutter. Eines Tages führtest du sie zu deinem Vater in den Vulkan. Ich weiß bis heute nicht, wie ihr es dorthin geschafft habt. Eure Abwesenheit bemerkten wir erst, als ihr auf den Bildern der Überwachungskamera in jener Höhle, in die dein Vater gesperrt gewesen war, erschienen seid. Michael war an diesem Tag ebenfalls bei mir, um mit mir über Veranos und deine Zukunft zu verhandeln. Es war nie meine Absicht, Verano zu verletzen. Mein Wunsch war es, ihm Vernunft einzubläuen. Mir ging es nur um deine Sicherheit. Nicht nur er, sondern auch ich hatte die Lustrare unterschätzt. Ich war überzeugt, ihnen immer einen Schritt voraus zu sein. Sie fanden heraus, wo ich deinen Vater festhielt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem du mit deiner Mutter zu ihm geschlichen warst, brachten sie den Vulkan zum Ausbruch, um Verano, der von seiner Umgebung über Wochen geschwächt worden war, zu töten. Innerhalb eines Wimpernschlags wurde die Höhle mit Lava geflutet, ehe sich diese über das umliegende Tal ergoss und der Krater in sich zusammenbrach. Mir ist es nach wie vor ein Rätsel, wie du überleben konntest oder wie du überhaupt dorthin kamst. Du warst noch viel zu jung, um dich zu teleportieren. Es muss mit deinem Drachenanteil zu tun gehabt haben. Ich werde nie vergessen, wie du über den schwarzen Steinboden zu deinem Vater gestolpert bist und dich in seine Arme legtest. Tares und ich beobachteten, wie zufrieden du den Kopf an seine Brust schmiegtest, und wir schafften es nicht, dich sofort wieder von ihm zu trennen. Diesen glücklichen Augenblick wollten wir euch lassen. Der Vulkanausbruch erwischte uns ebenso unvorbereitet wie euch. Zwanzig Jahre hielt ich dich für tot und verachtete Michael für den Keil, den er zwischen mich und Verano getrieben hatte, bis ich dich durch ihn wiederfand.«
»Aber Xenia sagte doch, dass sie ihm den Todesstoß versetzt hätte, als er vor ihr auf dem Boden lag.«
Hugorio lächelte traurig. »Sie hat bildlich gesprochen, um dich zu provozieren. Sie brachte einen Vulkan zum Ausbruch, das kann man durchaus als Todesstoß bezeichnen.«
Ich hasste diese Frau bereits aus tiefstem Herzen. Dennoch schien mein Hass auf sie noch zu wachsen. Mein ganzes Leben hatte sie versucht, mir jeden zu nehmen, der mir etwas bedeutete. »Ja, kann man. Denkst du nicht, dass mein Vater und meine Mutter womöglich auch überlebt haben?«
Hugorios zufriedener Gesichtsausdruck erfror zu einer wehmütigen Fratze. »Mein kleiner Möchtegernmensch, du bist mächtig. Aber nicht mächtiger als ein reiner Filguri. Es ist schon ein Wunder, dass es dir gelang, dich selbst zu retten.«
»Ich habe sie also ihrem Tod überlassen?« Tränen rannen mir über die Wangen. Hugorio mutmaßte, dass es mit dem Verlust meiner Eltern zu tun hatte, tatsächlich hatte ich an mein ungeborenes Kind gedacht. Ich hatte es ebenfalls im Stich gelassen. ›Hör auf, es Kind zu nennen!‹, ermahnte ich mich selbst. ›Es waren nur ein paar Zellen, noch kein Kopf, keine Arme.‹ Und dennoch vergoss ich Tränen und hielt meine zitternden Hände ineinandergepresst.
Hugorio wuschelte mir durchs Haar. »Du warst ein Kleinkind.«
Als ich mich nicht sofort beruhigte, betrachtete er mich misstrauisch. »Was ist heute geschehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Erzähl mir von meiner Mutter. Wie war sie?«, schluchzte ich, um das Thema zu wechseln.
»Du meinst abgesehen davon, dass sie mich gehasst hat? Sie war großartig. Anfangs fand ich die Faszination deines Vaters für sie lächerlich, aber mit der Zeit konnte ich ihn durchaus verstehen. Sie lehrte mich, wie viel Stärke ein schwaches Wesen haben kann. Sie hatte einen eisernen Willen. Trotz ihrer großteils menschlichen Abstammung war sie schwerer zu kontrollieren als die meisten Peris und Elfen. Ohne sie zu berühren, hatte ich keine Chance, sie zu etwas zu bewegen. Ja, deinen Sturkopf und deinen eisernen Willen hast du von ihr, nicht von deinem Vater. Außerdem war sie eine außergewöhnlich schöne Frau.«
Er streichelte mir über die Wange. »So wie du.« Aus einem Impuls heraus, er schien es nicht geplant zu haben, näherte er sich mir. Panisch betrachtete ich seine Lippen. Der Tag war bereits schlimm genug gewesen. »Bitte nicht! Nicht heute!«, flehte ich ihn an.
Er erstarrte und musterte mich kritisch. »Auch wenn du es mir verschweigst, werde ich herausfinden, was geschehen ist. Bisher weiß ich nur, dass sie William, Tares und Jonas in eine Falle gelockt haben. Tares hat mich sofort angerufen, als er wieder zu sich kam. Er war außer sich vor Sorge.«
»Ich bin wohlauf und sitze vor dir. Ist das nicht alles, was zählt?«
»Ich denke nicht! Immerhin schließt du mich aus, obwohl du leidest. Vergiss nicht, dass ich deine Gefühle immer noch spüren kann, und sie sind das reinste Chaos.«
»Ich habe ein gebrochenes Herz und erfahre, wie meine Eltern gestorben sind! Gibt es bessere Gründe, um in einem Gefühlschaos zu versinken? Diese Frau damals in Michaels Firma. Er hat mich mit ihr betrogen, als ich im Koma lag«, log ich, um ihn zufriedenzustellen. Bei jedem Wort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Er verhielt sich mir gegenüber völlig aufrichtig, und ich war unehrlich zu ihm.
»Ich weiß, dass du lügst. Mich beunruhigt, dass du dir lieber diese Demütigung andichtest, als mir zu verraten, was passiert ist. Michael hat dich mit ihr betrogen, während du im Koma lagst. Aber das weißt du nicht, und du konntest es auch nicht herausgefunden haben.«
Entsetzt schnappte ich nach Luft. »Woher willst du das wissen?«
Er lächelte. »Ertappt!«
»Ja, ich habe gelogen! Woher willst du das wissen?!«
»Ist das jetzt nicht egal, wo es zwischen euch beiden für immer vorbei ist?«
»Woher ...? Oder hast du das nur behauptet, um mich zu testen?«
»Wer weiß?«, grinste er frech. Fordernd sah ich ihn an.
»Das nie zu erfahren, ist deine Strafe dafür, dass du mich belogen hast.« Er fasste an meine Schulter, um mit mir zu sendicieren.
Ich wusste, dass ich nicht die Kraft aufbrächte, ihn abermals auszusperren. »Bitte lass das! Ich erzähle dir alles, aber zwinge mich nicht, es auf diese Weise mit dir zu teilen. Mit Worten ist es schwer genug.« Zögernd stimmte er zu, also begann ich zu sprechen: »Als ich in die Villa kam, hat Michael mich überfallen. Er hat versucht, mich in einen Vampir zu verwandeln. Ich spürte, wie das Leben aus mir entwich. Irgendwann gelang es mir, ihn mit einem dieser Energieblitze von mir zu schleudern.«
»Dieser gerissene Hund. Ich werde ihn töten!«, fluchte er.
Ich ergriff seine Hand und sah ihm in die Augen. »Nein, das will ich nicht!«
»Schon vergessen? Ich werde tun, was nötig ist, um dich zu beschützen. Ich bin nicht mein Vater und dein Ex ist eine ständige Gefahr.«
»Nein! Ich könnte nicht damit leben.«